Der cherubinische Wandersmann.
Angelus Silesius

Sechstes Buch 201-265

 

 
201. Sicherheit macht verliehrn.

Steh wache / fast' und beth; in einer Sicherheit /
Hat mancher gar verlohrn das Schloß der Ewigkeit.

 
202. Drey dinge seind zuflihn.

Kind scheue / meide / fleuch den Wein / das Weib / die Nacht:
Sie haben manchen Mann umb Leib und Seele bracht.

 
203. Ein finsteres Hertze sieht nicht.

Gieb achtung auf das Feur. Wo nicht die Lampen brennen /
Wer wil den Bräutigam wenn er wird kommn erkennen.

 
204. Das Geistliche Losungs Wort.

Das Losungs Wort ist Lieb: hastu's nicht eingenommen /
So darffstu nimmermehr ans Himmels Gräntzen kommen.

 
205. Die verlohrne Schildwacht.

Die Schildwach ist verlohrn / die sich in Schlaff versenkt:
Die Seel ist gäntzlich hin / die nie ann Feind gedänkt.

 
206. Man muß den Feind nicht auf den Leib lassen.

Freund wach und schau dich umb / der Teuffel geht stets runten /
Kommt er dir auf den Leib / so liegestu schon unten.

 
207. Der Teuffel wird leicht überwunden.

Christ biß nur nicht verzagt: mit wachen fasten bethen
Kanstu das gantze Heer der Teuffel unterthreten.

 
208. Die kluge und thörichte Schönheit.

Die kluge Jungfrau hat ihrn Schmuck in sich allein:
Die Thörin denkt sich schön in schönen Kleidern seyn.

 
209. Das äuserliche macht nicht wehrter.

Mensch alls was ausser dir / das gibt dir keinen wehrt.
Das Kleid macht keinen Mann / der Sattel macht kein Pferd.

 
210. Was man innwendig ist sucht man nicht auswendig.

Mann / wer in Tugenden von innen Reich und schön /
Der wird von aussen nicht nach Schmuck und Reichthum stehn.

 
211. Die Welt ist verblendt.

Wie daß die Welt so sehr nach eitlen Dingen rennt?
Verwunder dich nicht Freund / sie rast und ist verblend.

 
212. Anderst thun als glauben ist närrisch.

Christ bistu nicht ein Narr? du glaubst die Ewigkeit /
Und hängst mit Leib und Seel verblendet an der Zeit!

 
213. Dem kleinen ist alles kleine groß.

Kind wachs und werde groß: so lange du noch klein /
So lange dünckt dich alls was klein ist groß zuseyn.

 
214. Nichts ist groß als GOtt.

Nichts ist mir groß als GOtt. Ein Göttliches Gemütte
Schätzt auch den Himmel selbst für eine kleine Hütte.

 
215. Man muß sich von oben herab ansehn.

Du dünckst dich viel zu seyn: ach wärstu über dir /
Und schautest dich dann an / du sähst ein schlächtes Thier.

 
216. Jn der nähe sieht mans recht.

Mein nah dich doch zu GOtt / alls ist von ferne klein /
Thritstu hinzue / er wird bald groß genug dir seyn.

 
217. Das Ameiß Gemütte.

Die Erde scheint dir breit / ein klümplein groß mein Christ /
Ein Maulwurfs Hauff ein Berg / weil du ein Ameiß bist.

 
218. Nichts ist groß auf der Erde.

Zum Himmel ist die Erd' ein eintzigs Stäubelein:
O Narr wie kan in ihr dann etwas grosses seyn?

 
219. Nichts beschaut nichts geschätzt.

Wie daß die Welt nichts schätzt die schönen Himmels Auen?
man schätzt nichts unbeschaut / es mangelt am beschauen.

 
220. Auß dem beschaun entsteht die Liebe.

Die Liebe folgt aufs schaun. Schau an die ewge dinge /
So liebstu sie als bald und hälst sonst alls geringe.

 
221. Die Welt sol man nicht anschaun.

Wend ab dein Angesicht / die Welt nur angeblikt /
Hat manches edles Blut verzaubert und berükt.

 
222. Die Welt muß beschaut seyn.

Kehr hin dein Angesicht / und schau die eitle Welt /
Wer sie nicht recht betracht / der wird fürwahr gefällt.

 
223. Die Welt muß belacht und beweint werden.

Fürwahr wer diese Welt recht nihmt in Augenschein /
Muß bald Democritus / bald Heraclitus seyn.

 
224. Die Kinder weinen umb die token.

Du lachest daß das Kind umb seine Token weint /
Umb die du dich betrübst / sag obs nicht Token seind?

 
225. Den Weisen nihmt man nichts als Token.

Der Weise lacht darzu wenn man ihn alls genommen.
Warumb? er ist umb nichts als nur umb Token kommen.

 
226. Rechte Schätzung bringt kein Leid.

Christ wer die Dinge weiß nach ihrem Wehrt zuschätzen
Wird umb kein Zeitliches sich in Betrübnuß setzen.

 
227. Der Weisen Kränkung.

Der Weiß' ist stäts in Freud / er wird von nichts betrübt.
Diß einge kränkt ihn nur daß GOtt nicht wird geliebt.

 
228. GOttes Schmiede Feuer.

Der Eifer ist ein Feur / brent er umbs Nächsten Heil /
So schmiedet GOtt darbey / der Liebe Donnerkeil.

 
229. Der Weise hat alles gemein.

Der Weise was er hat / hat alls mit alln gemein /
Wie da? er schätzet alls / sich selbst auch nicht für sein.

 
230. Des Weisen und Narren Werk.

Des Weisen gantzes Werk / ist daß er werde GOtt:
Der Narr bemühet sich biß er wird Erd und Koth.

 
231. Deß Weisen Adel.

Des Weisen Adel ist sein Göttliches Gemütte /
Sein tugendhafter Lauff / sein Christliches Geblütte.

 
232. Des Weisen ahnen.

Des Weisen ahnen seind Gott Vater / Sohn und Geist:
Von denen schreibt er sich / wenn er sein Ankunfft preist.

 
233. Die geheime Adeliche Geburth.

Auß GOtt bin ich gebohrn / erzeugt in seinem Sohn /
Geheiliget im Geist / diß ist mein adels Kron!

 
234. Würkung der H. Dreifaltigkeit.

Der Sohn erlöset unß / der Geist der macht unß leben /
Deß Vaters Allmacht wird uns die Vergöttung geben.

 
235. Noch von dieser.

Jn Christo sterben wir / stehn auf im Heilgen Geist /
Jm Vater werden wir für Kinder Gotts gepreist.

 
236. Nichts höhers ist als GOttes Sohn seyn.

GOtts Sohn ist GOtt mit Gott / regiert auf einem Thron /
Nichts höhers ist als ich / wenn ich bin dieser Sohn.

 
237. Wie man Gottes Tochter / Mutter und Braut wird.

GOtts Tochter / Mutter / Braut kan jede Seele werden /
Die Gott zum Vater / Sohn und Bräutgam nihmt auff Erden.

 
238. Der Kuß der Gottheit.

GOtt küst sich in sich selbst / sein Kuß der ist sein Geist /
Der Sohn ist den er küst / der Vater ders geleist.

 
239. Seufftzer zu GOtt.

Gott ist ein starcker Strom / der hinnihmt Geist und Sinn /
Ach daß ich noch nicht gar von ihm verschwemmet bin.

 
240. Allein der Weise ist Reich.

Allein der Weiß ist Reich? die Tugenden in GOtt /
Die er stat goldes hat / nihmt ihm auch nicht der Tod.

 
241. Der Weise stirbt nicht.

Der Weise stirbt nicht mehr? er ist zuvor schon Tod:
Todt aller Eitelkeit / Todt allem was nicht GOtt.

 
242. Der Weise ist nie allein.

Der Weiß ist nie allein / geht er gleich ohne dich:
So hat er doch den Herrn der dinge (GOtt) mit sich.

 
243. Der Weise ist alleine Gott gemein.

Groß ist deß Weisen mutt / er machet sich allein /
Dem Herrn der Herrligkeit so viel er kan gemein.

 
244. Man muß sich erkühnen.

Erkühn dich junger Christ: wer sich nicht wil erheben /
Der bleibt wol wie ein Wurm am Erde klosse kleben.

 
245. Die Liebe macht kühn.

Die Liebe macht uns kühn / wer Gott den Herrn wil küssen /
Der fället ihm nur bloß mit seiner Lieb zu füssen.

 
246. Die Liebe durchdringt das innerste.

Die Lieb durchdringet alls; ins innerste Gemach /
Welchs Gott für alln verschleust / geht ihm die liebe nach.

 
247. Die Beschauligkeit ist Seeligkeit.

Glükseelig ist wer steht auf der beschauer Bahn /
Er sähet schon allhier das Seelge Leben an.

 
248. GOtt nicht sehn ist nichts sehn.

Du reisest vielerlei zu sehn und außzuspähn:
Hastu nicht GOtt erblikt / so hastu nichts gesehn.

 
249. Die seeligste Wissenschafft.

Glükseelig ist der Mensch der nichts als JEsum weiß /
Unseelig wer sonst allm und diesem nicht giebt Preiß.

 
250. Was glükseelig seyn ist.

Glükseelig seyn ist nicht viel Ehr und Gutt genissen /
Es ist viel Tugenden in seiner Seele wissen.

 
251. An den Sonderling.

Die Meinungen seind Sand / ein Narr der bauet drein /
Du baust auf Meinungen / wie kanstu weise sein?

 
252. Die Heiligen seind keinem klugen tod.

Du sprichst die Heiligen seind Tod zu unsrer Noth:
Der weise Mann der spricht den Narren seind sie Tod.

 
253. Allein der Catholische Christ ist weise.

Miß dir nicht Weißheit zue / wie klug du dir auch bist:
Niemand ist Weiß in Gott als ein Catholischer Christ.

 
254. Der Weise nihmt nichts als von Gott.

Der Weiß ist hoch gesinnt / wird ihm was zuegesand /
So nihmt ers niemahls an als nur von Gottes Hand.

 
255. Der Weise sündigt nicht.

Der Weise sündigt nicht / die richtige Vernunfft /
Nach der er wirkt / hält ihn in der gerechten Zunfft.

 
256. Der Weise irret nie.

Der Weise geht nie irr / er hängt auf jeder Bahn /
Der Ewgen Wahrheit (GOtt) mit allen kräfften an.

 
257. Wer Weise ist.

Der ist der Weise Mann / der sich und GOtt wol kennt
Wem dieses Licht gebricht / ist unweiß' und verblend.

 
258. Wie man Weise Wird.

Mensch wiltu Weise seyn / wilt Gott und dich erkennen /
So mustu vor in dir die Welt begihr verbrennen.

 
259. Was deß Menschen Weißheit ist.

Deß Menschen Weißheit ist Gottseelig seyn auf Erden /
Gleichförmig GOttes Sohn an Sitten und Gebehrden.

 
260. Rein macht GOtt Gemein.

Nichts unreins komt zu Gott! bistu nicht fünkel rein
Von aller Creatur / so wirst ihm nie gemein.

 
261. Die Warheit macht Weise seyn.

Die Wahrheit giebt das seyn: wer sie nicht recht erkennt /
Der wird mit keinem recht ein Weiser Mann genennt.

 
262. Die Welt ist ein Sandkorn.

Wie daß denn bey der Welt GOtt nicht geschaut kan seyn?
Sie kränkt das Auge stets / sie ist ein Sandkörnlein.

 
263. Beschluß.

Freund es ist auch genug. Jm fall du mehr wilt lesen /
So geh und werde selbst die Schrifft und selbst das Wesen.

ENDE.


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